Digitalisierung mit modernen Knechten

Das Wort Digitalisierung benutzen wir genauso selbstverständlich wie das digitale Navigationsgerät.

In vielen Lebensbereichen sind die digitalen Helferlein nicht mehr wegzudenken Die Immobilienwirtschaft bereitet sich auf die Digitalisierung vor. Aber wie können die Algorithmen der Digitalisierung mit der Emotionen, die oftmals mit einem Immobilienbesitz einhergehen, zusammengeführt werden ? Betrachten wir die Digitalisierung doch als modernen Knecht, sozusagen als einen Arbeiter den wir in einem digitalen Betrieb einsetzen. Auch früher schon waren die Knechte spezialisiert, es gab den Hausknecht , den Stallknecht und den Feldknecht.

So ein Knecht hat viele Arbeitsbereiche und kann Arbeitsabläufe vereinfachen, schneller und transparenter machen und Datenmaterial zusammenführen. Eine Software mit künstlicher Intelligenz unterstützt uns unter anderm bei der technischen due diligence . Wenn wir ein Objekt zum Verkauf, ein Objekt zur Verkehrswertermittlung oder ein Objekt zur Projektentwicklung vom Auftraggeber anvertraut bekommen, dann starten wir immer mit der Einsicht in die Grundakten.

Liegt das Objekt in München führt uns der erste Weg in die Lokalbaukommission in die Blumenstraße in München. Vorab wird die Akteneinsicht beantragt, denn die Akten müssen aus dem Archiv geholt werden. Meist erhält man ein oder mehrere in vergilbten Karton sauber verschnürtes Bündel mit dem Geruch nach Papier und Staub. Chronologisch geordnet vom ersten Bauantrag bis zur letzten Veränderung findet sich die gesamte Geschichte der Immobilie mitunter spannend wie ein Roman zu lesen.

Je nach Alter der Immobilie finden sich von Hand und mit Tusche gezeichnete Grundrisse und kolorierte Gebäudeansichten, alles in präziser Ausführung und mit Liebe zum Beruf ausgefertigt. Es finden sich in penibler Handschrift aufgezeichnete statische Berechnungen von Architekten, die Anschriften mit der Postleitzahl 8000 München, Zeitdokumente aus Papier und aus längst vergangenen Tagen.

Die Nachkriegsjahre haben das Stadtbild neu geprägt und zu großen Veränderungen und Neuaufbauten von ganz oder teilweise durch Fliegerbomben beschädigten Gebäuden geführt. Der Schriftverkehr wurde mit der Schreibmaschine, auf Durchschlagpapier, die Anschläge fehlerfrei geführt, die Farben der Durchschläge sind längst verblasst und manchmal schwer zu lesen.
In den 70iger Jahren des vergangen Jahrhundert hat dann der moderne Schriftverkehr mit Formblättern Einzug in die Akten gehalten. Die Bauvorschriften wurden umfangreichern und damit auch der Schriftverkehr mit Architekten, Bauherren und den Genehmigungsbehörden.

Alles was wir für unsern Auftrag brauchen wird kopiert und die großen Baupläne werden geplottert und sind nach ein paar Tagen zum Abholen bereit.
Die Akten werden bei der Rückgabe an den Beamten immer mit dem gleichen rechtsgedrehten Knoten mit einer kräftigen Paketschnur sauber verschnürt und wandern wieder für viele Jahre zurück ins städtische Archiv.

Was haben wir in all den Jahren bei solchen Terminen schon außergewöhnliches, tragisches und unterhaltsames zum Lesen bekommen, so könnte man die erste Akteneinsicht schon fast als Ritual betrachten, man trifft einen Kollegen auf einen kleinen Ratsch und dann geht zurück ins Büro.

Und dort wird all das mitgebrachte Papier dann digitalisiert und auf der bestens gesicherten Festplatte in Ordner sauber elektronisch verschnürt. Pläne werden im ersten Schritt digitalisiert.
Kaum eine Immobilie stimmt nach Jahren noch mit den Plänen oder Genehmigungen aus dem Bauamt überein, also wird in einem Ortstermin jede Abweichung erfasst und in neuen Dateien eingearbeitet, die Dateiformate werden für Zeichenprogramme komprimiert und auf dem Rechner entstehen farbige Pläne in modernster Technik.

Es ist wünschenswert, dass es sich jeder Immobilienbesitzer zur Aufgabe macht seine Immobilie in dieser Art digitalisieren zu lassen umso immer einen genauen Einblick zu haben.
Mal abgesehen von professionellen Bestandshaltern haben nur wenige unsere Auftraggeber die Grundakten und Auszug aus dem Liegenschaftskataster zum Immobilienbesitz vollständig vorliegen.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat mit Einführung des Building Information Modeling, kurz BIM, (BIM – Wikipedia) den Grundstein für die Digitalisierung der Immobilienwirtschaft gelegt.

Ziel soll es sein mit modernen IT-gestützten Prozessen und Programmen über verschiedenen Schnittstellen die Planung, Errichtung oder Revitalisierung einer Immobilie mit den Architekten, Fachplanern (TAG-Planung) und Gewerken koordinieren und steuern zu können. Wir haben sowohl mit kleineren als auch größeren Architekturbüros Projekte BIM basiert bearbeitet. Auch wenn das Ganze noch kleinere technische Hürden im Bereich der Schnittstellen hat funktioniert es in vielen Bereichen schon ausgezeichnet.

Damit in der Zukunft mit BIM basierten Daten, also mit einer bundeseinheitlichen Datenbasis gearbeitet werden braucht es die Bereitschaft aller am Bauen Beteiligten Dienstleister und Behörden sich auf eine gemeinsame Datenumgebung ( Common Data Enviroment) einzulassen. Eine Implementation der BIM basierten Methode könnte uns bei der Gebäudebewertung und in der Betrachtung des Lebenszyklus einer Immobilie maßgeblich unterstützen. Diskutiert wird derzeit auch, ob die BIM Methode mit Daten und Informationen zu Gebäuden die Reform der Grundsteuer unterstützen kann.

Was uns zu der Annahme verleitet hat wie Mr. Spock in ferne, unbekannte Galaxien der Immobilienwirtschaf aufbrechen zu können und mit einem einzigen Programm den Lebenszyklus einer Immobilie vom ersten bis zum letzten Moment digitalisieren zu können und bei Fertigstellung eines Neubauprojektes mit einem einzigen Mausklick an Hausverwaltung und Facility Management übergeben zu können.

Freilich ist genau das, dass Ziel von BIM und wird auch in nicht allzu ferner Zukunft einen unglaublichen neuen und umfassend Blickwinkel auf jede Immobilie in Deutschland ermöglichen.
Für einige Hochschulgebäude in Deutschland wird das Arbeiten BIM basiert schon verpflichtend vorgeschrieben. Sowohl bei Neubauten als auch im Bestandbauten, wo z. B. auch die Altlastenthemen von öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen digital erfasst werden können.

Uns hat die Arbeit mit BIM dann schnell wieder zurück auf die Erde gebracht, denn es gibt noch eine Reihe von rechtlichen Hürden zu bearbeiten.
Im Bereich des Planungsrechtes kollidiert ein BIM basiertes Arbeiten stark mit den rechtlichen Vorgaben. Beim Bauantrag muss der Entwurfsverfasser den Antrag handschriftlich unterschreiben.

Je nach Landesbauverordnung tuen sowohl der Bauherr als auch Antragsverfasser eine Reihe von juristischen Fallstricken auf. Problematisch wird das dann, wenn ein Antrag nicht positiv beschieden werden sollte.

Bei der Immobilienbewertung nutzen wir die dienstbaren Geister der Leverton Software. Die Software lernt bei jeder due diligence dazu, kann Mietverträge auslesen und Fragestellung beantworten. Bei der Bewertung von größeren Objekten können so eine Vielzahl von Mietverträgen geprüft werden. Gerade bei gemischt genutzten und gewerblichen Objekten spart die Software viel Zeit und liest sich kompromisslos in Mietverträge ein. Wir können die Ergebnisse dahingehend auswerten, ob für die weitere Prüfung gezielter Verträge ein Fachjurist hinzugezogen werden soll. Wird die Immobilienbewertung für einen späteren Verkauf erstellt dann können eventuelle Fehler oder Schriftformfehler in Mietverträgen mit einem Nachtrag zum Mietvertrag noch vom Eigentümer korrigiert oder geheilt werden.Umgekehrt nutzen wir die Software wenn wir mit der Ankaufsprüfung einer Immobilie beauftragt sind. Auch in der Immobilienbewertung hat mit der Einführung der Version 1.0 Richtlinie zum Datenaustausch (gif-IDA) der Einzug von prozessbezogenen Daten unter den verschiedenen Dienstleistern Einzug gehalten.

Wird der moderne Knecht Digitalisierung für den Lebenszyklus einer Immobilie angewandt so hat das viele Vorteile und bringt nicht nur bei baulichen Veränderung sondern auch beim Verkauf ein hohes Maß an Transparenz für alle Beteiligten.

Es wäre falsch die Digitalisierung der Immobilienbestände in die Zukunft zu vertagen. Je eher wir damit anfangen, desto schneller werden die noch vorhandenen Softwareprobleme sichtbar und können bearbeitet werden. Irgendwann wird es den Weg zum Bauamt und Akteneinsicht in Papierbündel nur noch in unseren zugegeben schönen Erinnerungen geben ! Der sensible Umgang aller Zugangsberechtigten zum „Dataroom“ der Immobilie ist dabei sicherlich eine ethische Grundvoraussetzung damit sich Vertrauen in die umfassende Digitalisierung einstellt. In unseren Arbeitsabläufen ist die Digitalisierung ein moderner Knecht dessen vielfältige Einsatzmöglichkeiten wir sehr zu schätzen wissen.

So können wir unsere Auftraggeber umfassender beraten und den Entscheidungsträgern Wege zur optimalen Bewirtschaftung einer Immobilie aufzeigen. Zur Auswertung der vielen digitalen Daten braucht es am Ende immer den sachkundigen Immobilienprofi der nach den Vorgaben seiner Berufsstandards über Marktkompetenz, Fachkompetenz und Methodenkompetenz verfügt und Datenmaterial mit Verstand und Leidenschaft auswertet und die Ergebnisse an die Entscheidungsträger weitergibt. Denn mal abgesehen von den institutionellen Bestandshaltern ist eine Immobilie gerade wenn sie lange im Familienbesitz ist auch mit Emotionen verbunden und die können eben nur von Mensch zu Mensch und nicht digital erfasst werden.
Daran sollte sich auch in Zukunft nichts ändern.